Brief eines Gastarbeiters an seine Frau

(Ewald Fuhlbrügge)

 

An meine Liebe Suleika!

Suleika, meine liebe Frau!
Ich nix mehr arbeiten im Bau.

Auch schon Kollegen viel entlassen,
Polier sag – „Nix mehr Geld in Kassen"

Doch du nicht denken, das sei schlimm,
ich trotzdem froh und munter bin.

denn Allah hat mich nicht verdammt,
war gestern schon beim Arbeitsamt.

Weil ich noch ein Jahr Aufenthalt,
komm ich nach Hause nicht so bald!

Muß meiden noch Moschee und Tempel,
zeig Arbeitsamt Papier, tut stempeln.

Die ganze Arbeit! - Muß nicht mehr bücken
und kann doch immer Geld dir schicken.

Hier scheint mir alles wie verhext,
brauch nur noch schlafen - Konto wächst,

und ganz bestimmt bis nächsten Winter
zahlt Arbeitsamt noch Geld für Kinder.

Ich bin jetzt schon drei Jahre fort,
vielleicht hast du noch Kinder dort,.

wo ich nicht weiß, ist ganz egal,
du mußt nur melden mir die Zahl

und schleunigst schicken mir nach hier
vom Amt beglaubigtes Papier.

Du sollst mal sehen, wie dann geht munter
Einkommen rauf und Steuer runter.

Heut - Zahnarzt sagen ganz gewiß,
bis Montag hab ich neu Gebiß,

vielleicht wenn es ist Allahs Wille,
bis andern Mittwoch neue Brille.

Das Alles mach mir viel gut Spaß,
weil alles zahlt die Krankenkass.

Wenn Ostern Oma kommt, will sehn,
daß sie auch kriegt so schöne Zähn,

und nix mehr warten muß beim Essen,
bis Opa fertig hat gegessen.

Weil es doch immer besser is'
hat jeder eigenes und schön Gebiß.

Wir sind schon kleine Kolonie
und spielen Karten oft bis früh,

oh, Deutschland, schönstes Land der Welt,
nix Arbeit und viel Stempelgeld.

Ich wohn in Altbau, noch ganz nett,
mit Wasser, Strom und Plums - Klosett,

ist Zimmerchen auch ziemlich klein,
fühl ich mich wohl als wie daheim

Der Hausbesitzer läßt mich walten,
kann mir sogar Kaninchen halten.

War erst heut morgen noch eins krank,
hab rausgeholt aus Kleiderschrank.

Hab ganzen Tag es noch bewacht
und dann am Abend notgeschlacht.

Hab gleich verkauft es wieder weiter
an einem Freund auch Gastarbeiter.

Suleika, meine liebe Frau,

hast du auch unser Zelt. geflickt ?
Von Geld was ich dir hab geschickt ?

Halt Einsamkeit noch ein Jahr aus,
dann bring ich Geld und baue Haus.

Vermiete Zelt dann mit viel List
An deutsch Familie, die Tourist,

sein ganz verrückt auf weite Welt,
will wohnen im Nomadenzelt,

will wandern viel im Wüstensand,
weiß nicht wie schön ist eignes Land

und nun sich machen Brief jetzt Schluß,
muß senden dir noch ganz viel Gruß.

Bleib schön gesund, grüß alle lieben,
sag ihnen, Ali hat geschrieben

aus Deutschland, schönstes Land der Welt,
wo man für Faulheit noch kriegt Geld.

Denn wenn Vertrag hier ist am Ende,
komm ich in Heimat noch mit Rente.

Vorbei ist Armut, Not und alles,
Deutschland, Deutschland über alles.

 

Dein Ali

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